Diese Geschichte muss man sich einfach mal auf der Zunge zergehen lassen. Erst im Mai 2014 feierte Christoph Kramer sein Debüt in der deutschen Nationalmannschaft beim 0:0 im Testspiel gegen Polen. Kramer galt eher als Spieler für die Zeit nach der WM – umso überraschter dürfte nicht zuletzt er selbst gewesen sein, als ihn Joachim Löw mit nach Brasilien zur Weltmeisterschaft nahm. Die Geschichte ist damit aber noch nicht am Ende angelangt. Denn im Achtelfinale kam er bei der WM unterm Zuckerhut in der Verlängerung zu seinem ersten Einsatz – gegen Algerien beim 2:1-Sieg. Nach 109 Minuten brachte ihn Löw für Bastian Schweinsteiger. Es folgte eine Minute Spielzeit im Viertelfinale gegen die Franzosen, im Halbfinale gegen Brasilien saß Kramer nur auf der Bank. Und dann das! Weil Sami Khedira im Endspiel gegen Argentinien verletzt passen musste, setzte Joachim Löw auf den gebürtigen Solinger. Und zwar von Beginn an. Das war gewiss auch ein hohes Risiko, das der Bundestrainer da ging. Christoph Kramer zahlte es mit einem sehr beherzten Auftritt zurück, allerdings nur eine halbe Stunde lang. Dann rasselte der Mittelfeldmann mit dem Argentinier Ezequiel Garay zusammen. Kramer war sichtlich benommen, vergewisserte sich zwei Mal: „Bin ich im WM-Finale?“ Löw konnte nicht anders, musste ihn auswechseln.
Bis heute kann sich Christoph Kramer nicht wirklich an dieses Finale, seinem größten Moment in der bisherigen Karriere erinnern. Ohnehin taugt er wohl für die tragischen Momente. Als Borussia Dortmund in der Hinrunde der Saison 2014/15 buchstäblich am Boden lag, war es Kramer, der mit einem kuriosen Eigentor den BVB wieder auf die Beine half. Dortmund siegte 1:0, der Gladbacher konnte den fatalen Fehlschuss nicht so recht erklären. Dafür aber werden wir uns auf noch viele tolle Spiele von Christoph Kramer in der Nationalmannschaft freuen. Ob als Gladbacher oder Leverkusener – das ist egal, wenn die Leistung stimmt.