Der Kapitän – so heißt – verlässt immer als Letzter das sinkende Schiff. Er übernimmt Verantwortung bis zum Schluss, ehe er von Bord geht. Nun kann wahrlich nicht die Rede davon sein, dass die deutsche Nationalmannschaft bei der WM 2014 in Brasilien Schiffbruch erlitten hätte. Ganz im Gegenteil. Endlich ziert der vierte Stern für die vierte Weltmeisterschaft das Trikot der DFB-Auswahl. Insofern hat auch der Kapitän seine Aufgabe erfüllt. Philipp Lahm hieß dieser bei den Titelkämpfen unterm Zuckerhut. Als selbige erfolgreich beendet wurden, überraschte Lahm mit seinem Rücktritt. Der DFB-Kapitän geht also von Bord, allerdings nicht von einem sinkenden Schiff. Um die Zukunft des amtierenden Weltmeisters müssen die Fans sich jedenfalls auch ohne Lahm keine Sorgen. Von seiner Statue zwar weniger, aber sportlich verkörperte der Bayern-Spieler eine der Galionsfiguren im deutschen Kader. Bundestrainer Joachim Löw wird nun ohne ihn auskommen müssen.
Die Kandidaten: Mertesacker und Hummels fallen durchs Raster
Nun mag man meinen, der Rücktritt von Philipp Lahm sei spontan zustande gekommen. Man soll ja bekanntlich dann aufhören, wenn es am Schönsten ist. Und was ist schöner für einen Fußballer, als ein WM-Titel? Doch im Falle Lahm war dies nicht so: „Die Entscheidung stand schon sehr früh fest, dass die WM mein letztes Turnier sein wird“, so der Außenverteidiger, der zuletzt immer öfter im defensiven Mittelfeld zum Einsatz kam. „Deswegen habe ich keine Gedanken, dass ich nochmal zurückkomme.“ Also nichts mit überstürzter Entscheidung, viel mehr eine, zu der er „zu einhundert Prozent stehe“. Und weil mittlerweile auch Miroslav Klose – weniger überraschend als Lahm – seinen Abschied aus der Nationalmannschaft bekannt gegeben hat, ist der Bundestrainer gefordert, neue Leitwölfe zu suchen. Vor allem auch einen neuen Kapitän. Kandidaten gibt es einige. Einer wäre Per Mertesacker gewesen. Doch der Verteidiger vom FC Arsenal fällt wohl durchs Raster. Weil es vermutlich sportlich nicht mehr ganz für einen Stammplatz reicht. „Merte“ wurde zum Bauernopfer nach der wackligen Vorstellung im Achtelfinale gegen Algerien. Fortan saß er bei der WM nur noch auf der Bank. Der Bundestrainer plant wohl mit Mats Hummels und Jerome Boateng als neues Duo in der Innenverteidigung.
Özil, Götze, Reus keine Lautsprecher
Apropos Hummels: Der ist gerade eben erst als Nachfolger von Sebastian Kehl Kapitän bei Borussia Dortmund geworden. Das DFB-Team allerdings wird er als Spielführer wohl eher nicht anführen, schließlich scheint seine kritisch-offene Art nicht immer gut anzukommen. Zeitweise gab es sogar Zwist, weil Hummels als Innenverteidiger nicht mehr erste Wahl war. Sehr zur Verwunderung der Verantwortlichen beim BVB, die dies auch laut kundtaten. Bei der Kandidatensuche kann man derweil auch nicht an Manuel Neuer vorbeischauen. Der weltbeste Keeper und frischgebackene Fußballer des Jahres in Deutschland hat das Zeug zum Kapitän in der Nationalmannschaft. Neuer sagt allerdings auch selbst, dass er es grundsätzlich für eine bessere Idee hielte, wenn ein Akteur aus dem Mittelfeld die Kommandos gebe. Und eben nicht der Torwart als letzter Mann auf dem Spielfeld.
Bastian Schweinsteiger: WM-Finale perfekte Bewerbung
Bleibt also, auch alleine wegen der Hierarchie, Bastian Schweinsteiger. Denn ein Mesut Özil gilt nicht gerade als Lautsprecher, die Kumpels Mario Götze und Marco Reus ebenfalls nicht. Das Kapitel „Schweini“ ist längst abgehakt, Bastian Schweinsteiger hat sich zu einem echten Leader empfohlen. Gerade das WM-Finale 2014 gegen Argentinien war wie eine gleichzeitige Bewerbung auf den Posten des DFB-Kapitäns. Was Schweinsteiger da auf die Socken bekommen hat, wie er trotzdem das Team immer wieder nach vorne peitschte, das war aller Ehren wert. Insofern wird sich Joachim Löw wohl für Bastian Schweinsteiger als neuen DFB-Kapitän entscheiden. Alles andere wäre eine Überraschung a la Lahm-Rücktritt.