Fußball ist die weltweit beliebteste Sportart. Ganz besonders in Europa. Doch wo ein Sport besonders großes öffentliches Interesse erfährt, da lauern auch Gefahren. Das hatte auch Michel Platini, gerade für vier weitere Jahre im Amt als Präsident der UEFA bestätigt, erkannt. „Aufgrund seiner Beliebtheit ist unser Sport ein Gradmesser für die Probleme auf unserem Kontinent“, sagte der Franzose und ergänzte mit versteinerter, sorgenvoller Miene: „Sieser Gradmesser zeigt Beunruhigendes an.“ Seine mahnenden Worte auf dem UEFA-Kongress in Wien sollten sich wenige Tage später in Podgorica bewahrheiten.
Podgorica. Wenige Sekunden waren am Freitagabend in Montenegros Hauptstadt Podgorica und dem dort ansässigen Stadion Pod Goricom erst verstrichen, da bahnte sich der nächste Skandal in der laufenden EM-Qualifikation an. Russlands Keeper Igor Akinfeev von ZSKA Moskau wurde von einem Feuerwerkskörper getroffen, ging zu Boden – und der deutsche Schiedsrichter Deniz Aytekin aus Oberasbach schickte beide Mannschaften wieder in die Kabine. Eigentlich sollte hier ein Quali-Spiel der Gruppe G zwischen Montenegro und Russland stattfinden. An Fußball war aber nicht mehr zu denken.
Aytekin bricht Montenegro gegen Russland ab
Ob es ein Fehler war, die Partie nach etwas mehr als einer halben Stunde doch fortzusetzen angesichts der aggressiven Stimmung auf den Tribünen, aber auch auf dem Rasen, darüber lässt sich hinterher sicher diskutieren. Im Nachhinein ist man eben immer schlauer. Und es wäre tatsächlich besser gewesen, das Match nicht noch einmal anzupfeifen. Doch Aytekin entschied sich dazu. Bis zur Pause ging alles mehr schlecht als recht gut. Nach dem Seitenwechsel bekam Russland einen Strafstoß beim Stand von 0:0 zugesprochen, den jedoch Roman Shirokov verschoss. Normalerweise löst so etwas Jubelgesten der gegnerischen Fans auf den Rängen und des Kontrahenten auf dem Rasen aus. Doch in diesem Fall entlud sich in jener 67. Minute die Gewalt. Schiedsrichter Aytekin brach das Spiel dann endgültig ab.
Akinfeev kommt glimpflich davon, Montenegro drohen Sanktionen
Da wurde Igor Akinfeev längst im Krankenhaus behandelt. Der Torwart kam Pressemeldungen zufolge wohl glimpflich davon. Von einer Nackenblessur und kleineren Brandverletzungen war die Rede. Der russische Fußballverband will die Geschehnisse aber natürlich nicht einfach so hinnehmen und kündigte einen Protest an. Nationaltrainer Fabio Capello war nach dem Abbruch sogar der Meinung, dass „das Spiel hätte nicht fortgesetzt werden dürfen, nachdem Akinfeev von dem Feuerwerkskörper getroffen wurde“. Die UEFA wird auf jeden Fall ermitteln, ein Ermittlungsverfahren gegen Montenegro gilt als wahrscheinlich. Ebenso wie die Partie wohl am ehesten mit 3:0 für die Russen gewertet wird.
Als im Oktober 2014 serbische und albanische Spieler aneinandergeraten waren, weil per Drohne eine Flagge mit dem Wappen Großalbaniens ins Stadion geflogen kam, entschied die UEFA sich zwar auch für eine 3:0-Wertung des Spiels zugunsten Serbiens, zog den Hausherren aber im gleichem Atemzug (wie quasi auch Albanien) drei Punkte wieder ab, so dass beide Teams mit leeren Händen dastanden, was eine konsequente Entscheidung war. Russland wird solch ein Punktabzug nach Kenntnislage der Fakten eher nicht drohen.
Djurdjevac: „Heuchler und Barbaren“
Worte des Bedauerns kamen von Seiten Montenegros nach den Geschehnissen: „Ich entschuldige mich bei den russischen Spielern und Betreuern für alles, was passiert ist“, sagte etwa Nationalcoach Branko Brnovic. Er wisse nicht, was er nach all dem sagen solle. Von einem „kompletten Desaster“ sprach derweil Momir Djurdjevac, seines Zeichens Generalsekretär des montenegrinischen Verbandes. Das seien „Heuchler und Barbaren, wir haben einen barbarischen Eindruck hinterlassen“ und die gewaltbereiten Fans hätten „dem Ruf des gesamten Landes schweren Schaden zugefügt“.